Hydrotrope, Lösungsvermittler, Komplexbildner
Grundlagen unserer Rohstoffe
Wie bereits in Ausgabe 1 dieser Reihe zu den Grundlagen unserer Rohstoffe ausgeführt wurde, sind nichtionische Tenside wichtige Komponenten für die Funktionalitäten der Rezepturen von Dr. Weigert. Leider hat diese Stoffklasse den Nachteil, dass sie, insbesondere wenn sie für die Schaumdämpfung in einem Reinigungsprozess eingesetzt wird, schlecht wasserlöslich ist. Zusätzlich erschwert wird die Verwendung nichtionischer Tenside durch die in professionellen Reinigungsformulierungen notwendige Alkalität und die damit einhergehende Salzfracht. Da Wasser die Hauptgrundlage für Reinigungsformulierungen und -prozesse darstellt, benötigt der Formulierer Hilfsmittel, damit sich nichtionische Tenside stabil in eine Rezeptur einarbeiten lassen. Durch den Einsatz dieser Komponenten wird die Wasserlöslichkeit nichtionogener Tenside gesteigert und verhindert, dass Rezepturen wieder inhomogen werden und sich separieren. Mechanistisch geschieht das durch die Erhöhung des Trübungspunktes. Der Trübungspunkt ist die charakteristische Temperatur, bei der die Trennung in eine wasserarme, tensidreiche und eine wasserreiche, tensidarme Phase eintritt, was sich makroskopisch durch eine Eintrübung zeigt.
Die Hilfsmittel zur Erhöhung des Trübungspunktes heißen Hydrotrope oder Lösungsvermittler. Ähnlich wie ein Emulgator sind sie in der Lage, das unpolare, hydrophobe nichtionische Tensid in der wässrigen Matrix zu halten und so zu einer klaren Rezeptur zu führen (siehe Abb. 1).
Für das intendierte Eigenschaftsbild der Formulierung haben Hydrotrope darüber hinaus nur eine untergeordnete Aufgabe. Bei tensidischen Lösungsvermittlern kann zwar eine Steigerung des Reinigungsvermögens beobachtet werden, für weitere Eigenschaften bringen Hydrotrope aber kaum Beiträge, sondern dienen vor allem der Stabilisierung der Rezeptur. Andererseits stellt die Schaumneigung vieler Hydrotrope den Entwickler vor die schwierige Aufgabe, diese in der maschinellen Aufbereitung durch eine geeignete Rezepturkomposition zu unterdrücken.
Hydrotrope werden ausschließlich über ihre Funktion in einer Rezeptur klassifiziert. Chemisch stellen sie keine homogene Stoffklasse dar. Zu den Hydrotropen zählen Alkohole, Sulfate, Sulfonate, Propionate, Zuckertenside oder organische Amine (siehe Abb. 2-7).
Auch wenn diese Moleküle chemisch sehr unterschiedlich sind, so ist deren gemeinsames Charakteristikum, dass es sich um kleine und oftmals verzweigte Moleküle handelt, die aber ähnlich wie Tenside typischerweise aus einem hydrophoben und einem hydrophilen Teil bestehen. Durch diese Struktur sind sie in der Lage, einerseits mit den hydrophoben nichtionischen Tensiden in Wechselwirkung zu treten, andererseits wird der hydrophile Molekülteil durch das umgebende Wasser hydratisiert. Die dabei ablaufenden chemischphysikalischen Micellbildungsprozesse, Aggregationsphänome, Mischkristalle und die Bildung von Assoziationskolloiden haben eine hohe Komplexität, die nicht in allen Einzelheiten verstanden ist.
Verstanden hingegen ist die unabdingbare Notwendigkeit des Einsatzes von Hydrotropen in der Entwicklung von Rezepturen für die maschinelle und professionelle Reinigung und Aufbereitung von Medizinprodukten, Küchenutensilien und in der Lebensmittelhygiene. Ohne deren intelligente Verwendung ist eine zeitgemäße Reinigungstechnologie nicht möglich.
Abbildung 2: Cumolsulfonat
Abbildung 3: Butyldiglycol
Abbildung 4: Natriumethylhexylsulfat
Abbildung 5: Alkyloligosaccharide
Abbildung 6: Ethylhexyliminodipropionat
Abbildung 7: Harnstof
Eine der wichtigsten Komponenten in Reinigungsprozessen ist Wasser, da diese in der Regel wässrig durchgeführt werden. Das Wissen über die Qualität und Zusammensetzung dieser Chemikalie ist dabei ein entscheidender Faktor für ein erfolgreiches Reinigungsergebnis.
Metallionen sind uns als ständige Wasserinhaltsstoffe gegenwärtig. Vor allem Calcium- und Magnesiumionen, ausgedrückt durch die Wasserhärte, sind bei natürlichen Wässern allgegenwärtig. Die Bildung von Calcium- und Magnesiumcarbonaten als „Kalk“ ist im Haushaltsbereich geläufig und stellt auch im privaten Umfeld ein Reinigungsproblem dar. Doch nicht nur als Wasserinhaltsstoffe, sondern auch in Kombination mit Anschmutzungen spielen Metallionen eine wichtige Rolle. So beruht z. B. die Bildung einer Teehaut bei Schwarzem Tee und das Absetzen von unschönen Rändern in Gefäßen auf der Bildung von Kondensaten mit Calciumionen aus dem Teewasser und Polyphenolen aus dem Schwarztee. Die Entfernung dieser Teeränder ist ein bekanntes Problem in der Küchenhygiene.
Da die Qualität des für den Reinigungsprozess eingesetzten Wassers in der Verantwortung des Anwenders liegt und Dr. Weigert hier nur eingeschränkt aktiv werden kann, müssen zur Kompensation der Wasserhärte und zur Verbesserung des Reinigungsergebnisses Komplexbildner eingesetzt werden. Diese sind in der Lage, positiv geladene Metallionen aus dem Wasser so zu binden, dass sie aus dem Prozess durch Komplexierung immobilisiert werden. Diese Komplexe werden auch Chelate (griechisch „chele“ für „Kralle“) genannt. Ähnlich den Backen einer Kneifzange können diese über funktionelle Gruppen Metallionen binden (siehe Abb. 8):
Die Reduktion von Metallionen im Reinigungsprozess ist aber nicht nur auf die Abbindung unerwünschter Wasserhärte beschränkt, sondern bezieht sich auch auf Anschmutzungen in denen Metallionen vorkommen. Dazu gehört beispielsweise Blut genauso wie Kosmetika oder Milch. Ein weiteres Anwendungsfeld für Komplexbildner ist die Komplexierung von Kationen, die an der katalytischen Zersetzung von Oxidationsmitteln wie Wasserstoffperoxid oder Peressigsäure beteiligt sind. Durch deren Maskierung wird die Haltbarkeit dieser für die industrielle Reinigung und Desinfektion bedeutenden Wirkstoffe entscheidend verlängert.
Der synergistische Einsatz von Komplexbildnern im Kontext mit anderen Rezepturkomponenten für die Verstärkung der Reinigungsleistung, Korrosionsinhibierung oder weiterer Eigenschaften im intendierten Anwendungsfeld der Rezeptur erfordert eine besondere Erfahrung des Entwicklers. Bei jüngsten Entwicklungen, wie z. B. neodisher® MediClean advanced wurde durch den Einsatz mehrerer Komplexbildner das Eigenschaftsprofil des Produktes entscheidend erweitert.
Komplexbildner sind keine definierte chemische Stoffklasse. Allerdings ist für sie strukturell kennzeichnend, dass sie die bereits erwähnte Multifunktionalität aufweisen müssen. Diese Funktionalität wird i.d.R. mit mehreren Carboxylat- oder Phosphonatgruppen in einem Molekül gewährleistet. Diese auch als Liganden bezeichneten funktionellen Gruppen sind die eigentlichen Wirkkomponenten für die Bindung an unerwünschte Metallionen.
Als Beispiel für carboxylathaltige Komplexbildner ist das Methylglycindiessigsäuresalz (MGDA, 3 Na) (siehe Abb. 9) oder Citronensäure genannt (siehe Abb. 10).
Hier übernehmen mehrere Carboxylatgruppen die Aufgaben der Bindung an bestimmte Metallionen und die Bildung eines Komplexes.
Bei Polycarboxylaten sind mit vielen Carboxylatgruppen, die hier an ein organisches Polymer gebunden sind, die gleichen funktionellen Gruppen in der Verwendung.
Zu einer anderen chemischen Stoffgruppe gehören Phosphonate, die über das Strukturelement der phosphorigen Säure zu einer koordinativen Bindung an Kationen führen. Ein Beispiel hierfür ist das Hydroxyethandiphosphonsäuresalz (HEDP, 4 Na), das zwei Phosphonatgruppen im Molekül enthält und so Metallionen komplexieren kann (siehe Abb. 11).
Abbildung 9: Trinatriummethylglycindiacetat
Abbildung 10: Citronensäure
Abbildung 11: Tetranatriumhydroxyethandiphosphonat
Der Rohstoffmarkt für Komplexbildner ist vielfältig, auch wenn es gerade in diesem Gebiet in den letzten Jahren zunehmende Einstufungsverschärfungen gab, die den Einsatz einiger Substanzen einschränken. Gleichwohl rechtfertigt die Bedeutung von Komplexbildnern in der professionellen Reinigungsindustrie die weitere Suche nach neuen Anwendungsfeldern und Eigenschaftsbildern. Das Potential der Komplexbildner ist noch nicht ausgereizt und wird Gegenstand weiterer Entwicklungen sein.
Dr. Matthias Springer
Leitung Forschung & Entwicklung
Dr. Bastian Wulff
Innovation und spezielle Projekte