Sicheres Arbeiten mit Prozesschemikalien – Teil 1
Gefahrensymbole zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien – Teil 1
Früher war alles besser, so sagt man. Früher verrichteten unsere Hausgeister, in Köln als Heinzelmännchen bekannt, des Nachts, wenn die Menschen schliefen, unsere Arbeit. Mit der industriellen Revolution, 200 Jahren Wissenschaft und technischer Entwicklung haben wir unsere Hausgeister bis heute nachhaltig vertrieben. An ihre Stelle haben wir – wie Goethes Zauberlehrling – neue Geister gerufen, die uns bei unserer Arbeit unsichtbar helfen. Die Heinzelmännchen der Neuzeit haben wir „Energie“ getauft.
Jeder Reinigungsvorgang lässt sich nüchtern als Summe von drei Arten der Energie bilanzieren: Erstens der durch das Bürsten aufgewendeten mechanischen Energie, weiterhin der durch die erhöhte Temperatur eingebrachten Energie und drittens, durch den Eintrag der in den chemischen Bindungen der Tenside und Desinfektionsmitteln gespeicherten Energie.
Den nötigen Respekt vor Energie lernen wir intuitiv über unsere Sinnesorgane. Für die in Blitz, Donner und Hitze freigesetzten Energien besitzen Mensch und Tier Sinnesorgane. Den Respekt vor der chemisch gespeicherten Energie, die in den vom Menschen gemachten Chemikalien enthalten ist, haben wir nicht gelernt und müssen den sicheren Umgang mit ihnen erst lernen, damit es uns eben nicht so ergeht wie dem unglücklichen Zauberlehrling.
Gefahrenkommunikation ist wichtig. Sinnvollerweise sollte sie die beim Menschen am höchsten entwickelten Sinne, also den Sehsinn und das Sprachverständnis, klar ansprechen. Das weltweit vereinheitlichte System zur Kennzeichnung von Chemikalien (engl. Globally Harmonised System, kurz GHS) verwendet deshalb ein System von Bildzeichen/Piktogrammen. Insgesamt gibt es neun in einer Raute eingeschlossene, schwarze Piktogramme auf weißem Grund mit rotem Rand, die jeweils die Art der Gefahren, die von Stoffen ausgehen, symbolisieren sollen.
Beispielhaft ist unten ein ätzender, die Atemwege reizender, entflammbarer Stoff beschrieben, der schädlich für die Umwelt ist (siehe Abb. 1).
Die auf den Piktogrammen dargestellten Gefahren werden auf dem Etikett noch einmal in kurzen, prägnant ausformulierten H-Sätzen (engl. Hazard, dt. Gefahr) wiederholt. In der Gefahr wird der Anwender nicht allein gelassen, denn die ebenfalls auf dem Etikett abgedruckten P-Sätze (engl. Precaution, dt. Vorkehrung, Maßnahme) geben Vorschläge zu Schutzkleidung, der sicheren Lagerung und zur Entsorgung (siehe Abb. 2).
Die bis hierher erklärten Einstufungen beziehen sich jeweils auf das Produktkonzentrat im Gebinde. Die daraus hergestellten, verdünnten Anwendungslösungen sind meist kennzeichnungsfrei.
Zusammen mit den Sicherheitsdatenblättern, den Informationen der Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und den von der BAuA herausgegebenen Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) macht die beschriebene Kennzeichnung die in Reinigungs- und Desinfektionsmitteln gespeicherte chemische Energie gut beherrschbar und dem Umgang des Anwenders mit ihr sicher – denn früher war eben doch nicht alles besser.
Dr. Uwe Borchert, Chemiker,
Dr. Weigert Gefahrstoffmanagement