Tägliche Händehygiene in der Endoskopie
Händedesinfektion im richtigen Moment ausführen
In Zeiten der COVID-19 Pandemie, zunehmender nosokomialer Infektionen und Antibiotikaresistenzen sind Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektionskette wichtiger denn je. Die Hände stellen den Hauptübertragungsweg von Erregern zwischen medizinischen Mitarbeitenden und Patienten dar. Deshalb kommt der Händehygiene, speziell der Händedesinfektion, eine herausragende Bedeutung zu. Die hygienische Händedesinfektion hat in erster Hinsicht das Ziel, die transiente Flora zu entfernen. Hierdurch kann im praktischen Klinikalltag eine Reduktion der Bakterienmenge auf den Händen um 2–3 Log-Stufen erreicht werden.1
Um Erregerübertragungen wirksam zu verhindern, ist es unverzichtbar, die Situationen im klinischen Alltag zu kennen, bei denen eine Händedesinfektion notwendig ist. Aufgrund der Vielfältigkeit an Indikationen wurde von der WHO (World Health Organisation) ein Modell geschaffen, mit dessen Hilfe jede Alltagssituation der Patientenversorgung einer von 5 Gruppen zugeordnet werden kann: „My 5 Moments of Hand Hygiene“2 (Sax et al. 2007). Diese 5 Indikationsgruppen sind in allen Bereichen des Gesundheitswesens anwendbar und eine sinnvolle Hilfestellung, um Situationen sicher zu erkennen, die eine Händedesinfektion erfordern. Das Modell ist inhaltlich konform mit den Empfehlungen zur Händehygiene des Robert Koch-Institutes (RKI).3
Die Händedesinfektion sollte erfolgen:
In diesem Artikel möchte ich Sie zu einem normalen Arbeitstag in einer Endoskopieabteilung mitnehmen und Ihnen die Momente der Händedesinfektion anhand aktueller Empfehlungen und Richtlinien aufzeigen.
Vor Arbeitsbeginn und ggf. zum Arbeitsende empfiehlt sich eine Händewaschung. Zusätzlich empfiehlt sich eine Händedesinfektion beim Betreten der Abteilung. Bei Tätigkeiten, die eine hygienische Händedesinfektion erfordern, dürfen an Händen und Unterarmen z.B. keine
getragen werden. Fingernägel sind kurz und rund geschnitten zu tragen und sollen die Fingerkuppe nicht überragen. Lackierte Fingernägel können den Erfolg einer Händedesinfektion gefährden. Deswegen ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu entscheiden, ob auf Nagellack verzichtet werden muss.4 Diese Empfehlung lässt sich nachvollziehen. So belegten Gupta et al. 2004 z.B. einen Zusammenhang zwischen dem Tragen künstlicher Nägel und nosokomialen Ausbrüchen.5
Häufig stellt sich die Frage: „Entnehme ich das Endoskop aus dem Endoskopschrank – mit desinfizierten Händen oder Handschuhen?“. Hierzu möchte ich mich der Aussage aus dem Artikel einer der vorangegangenen Ausgabe der endoNEWS Ausgabe 2, Juni 2021, von Prof. Dr. Günter Kampf anschließen: Ob das Gerät mit desinfizierten oder behandschuhten Händen entnommen wird, ist nach einer örtlichen Risikoabwägung zu entscheiden. Bei benutzten Handschuhen steigt die Menge an Perforationen je nach Tragedauer und Anzahl der ausgeübten Tätigkeiten. Die Folgerung lautet: Auch makroskopisch dichte Handschuhe können durchlässig für Viren und Bakterien sein. Deshalb ist die Händedesinfektion auch nach dem Tragen von medizinischen Handschuhen zwingend notwendig.
ACHTUNG: Das Tragen von Handschuhen bietet keinen vollständigen Schutz der Hände. Handschuhe sind nicht vollständig dicht bzw. können während des Gebrauchs Mikroperforationen aufweisen, vor allem bei starker mechanischer Beanspruchung. Darüber hinaus können die Hände beim Ablegen der Handschuhe kontaminiert werden.6 Handschuhe stellen also keine Alternative zur hygienischen Händedesinfektion dar.
Das WHO-Modell, angepasst an die Tätigkeiten in der Endoskopie, beschreibt ein Fortbildungsbeitrag der AKTION Saubere Hände am Beispiel der Gastroskopie. Zur besseren Übersicht sind hier Beispiele in einer Tabelle dargestellt:
Tätigkeit | Indikation zur Händedesinfektion nach WHO |
Vor Patientenbegrüßung | Ggf. Indikation 1: Vor Patientenkontakt |
Vor Legen einer Venenverweilkanüle | Indikation 2: Vor aseptischer Tätigkeit |
Nach Entsorgen der Materialien zur Anlage der Venenverweilkanüle | Indikation 3: Nach Kontakt mit potenziell infektiösen Materialien |
Vor Anlegen von Pulsoxymetrie und PR-Manschette | Indikation 1: Vor Patientenkontakt |
Vor anschließender Dokumentation der Werte | Indikation 4: Nach Patientenkontakt |
Vor Anlegen der PSA vor Untersuchungsbeginn | Indikation 2: Vor aseptischer Tätigkeit |
Nach dem Ausziehen der PSA | Indikation 3: Nach Kontakt mit potenziell infektiösen Materialien |
Sollte während der Untersuchung noch Material/ Zusatzinstrumentarium benötigt werden: | |
Vor Entnahme aus dem Schrank > Handschuhe ausziehen und Hände desinfizieren | Indikation 3: Nach Kontakt mit potenziell infektiösen Materialien |
Vor dem Anziehen neuer Handschuhe und dem Anreichen des Instrumentes | Indikation 2: Vor aseptischer Tätigkeit |
Sollte während des Arbeitstages ein Toilettengang notwendig oder die Hände stark kontaminiert sein, sind grobe Verschmutzungen mit einem mit Desinfektionsmittel getränktem Tuch vorab zu entfernen. Dann die Hände gut waschen, sehr gut abtrocknen und im Anschluss desinfizieren.3
An dieser Stelle möchte ich erneut auf den Artikel in der vorangegangen Ausgabe der endonews Ausgabe 2 Juni 2021 „Händedesinfektion im Aufbereitungsprozess flexibler Endoskope“ von Prof. Dr. Günter Kampf verweisen.
Die Hände stellen den Hauptübertragungsweg von Erregern zwischen medizinischem Personal und Patienten dar. Die Händedesinfektion ist die wichtigste und einfachste Methode zum Schutz der Patienten vor nosokomialen Infektionen mit potenziell pathogenen Erregern. Die Durchführung der Händedesinfektion ist einfach und dauert nur 30 Sekunden. Es erscheint nicht angebracht, diese Zeit noch zu verkürzen. Trotz der Schnelligkeit und Einfachheit in der Handhabung wird die Händedesinfektion vom medizinischen Personal nur in der Hälfte der erforderlichen Situationen ausgeführt. Die Gründe für die mangelnde Compliance sind vielfältig; sie beruhen jedoch häufig auch auf der Unübersichtlichkeit der vielen Situationen, in denen eine Händedesinfektion notwendig ist. Hier hilft das WHO-Modell effektiv und praxisnah die 5 Hauptindikationen zu erkennen. Lassen Sie sich nicht durch Stress oder Zeitdruck beeinflussen, seien Sie ein Vorbild!
Nils Andersen
B.Sc. Physician Assistant,
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
1 Pittet D, Widmer A (2001) Händehygiene: Neue Empfehlungen. SwissNOSO 8:25–32
2 Sax H, Allegranzi B, Uçkay I et al (2007) “My five moments for hand hygiene”: a user-centred design approach to understand, train, monitor and report hand hygiene. J Hosp Infect 67(1):9–21, Epub 2007 Aug 27
3 RKI (2016) Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim RobertKoch-Institut (RKI). Bundesgesundheitsbl 59:1189–1220
4 TRBA 250 (2014) im GMBI (Gemeinsames Ministerialblatt) Nr. 10/11 vom 27.03.2014, Änderungen vom 22.05.2014 und 21.07.2015, GMBl Nr. 25 und 29
5 Gupta A, Della-Latta P, Todd B et al (2004) Outbreak of extendedspectrum beta-lactamase-producing Klebsiella pneumoniae in a neonatal intensive care unit linked to artificial nails.
6 Kampf G, Assadian O, Kramer A. Untersuchungshandschuhe. In: Kampf G, Ed. Kompendium Händehygiene Wiesbaden: mhp-Verlag 2017; 126-45