Tenside
Grundlagen unserer Rohstoffe
Tenside (lat. tensus „gespannt“) stellen eine der wichtigsten Rohstoffklassen im Portfolio von Dr. Weigert dar. Sie bewirken, dass zwei eigentlich nicht miteinander mischbare Flüssigkeiten, wie z. B. Öl und Wasser, vermischt werden können.
Tenside bestehen allgemein aus einem lipophilen (gr. „fettliebenden“) Kohlenwasserstoffrest und einem hydrophilen (gr. „wasserliebenden“) Teil; sie sind somit amphiphil (gr. amphis „beide“ und philia „Liebe“). Amphiphilie beschreibt die chemische Eigenschaft einer Substanz, sowohl hydrophil als auch lipophil zu sein, das heißt, sie ist sowohl in polaren als auch in unpolaren Lösungsmitteln gut löslich.
Dieses Wesenselement macht die Funktionalität der Tenside aus und gibt dem Produktentwickler ein umfangreiches Werkzeug an die Hand, um eine gewünschte Produkteigenschaft zu erzielen. Strukturell unterscheidet man vier Tensidklassen, deren individuelles Merkmal die Ladung der Kopfgruppe ist:
Innerhalb jeder Tensidklasse gibt es eine sehr große Variabilität bei der Art der polaren Kopfgruppe und bei der Struktur der unpolaren Schwanzgruppe. Gerade durch Variation der Kettenlänge und möglicher Verzweigungen des Kohlenwasserstoffrests ergeben sich viele theoretische Molekülvarianten.
Tensidstrukturen mit hydrophilen und lipophilen (=hydrophoben) Abschnitten. Von oben nach unten: Nio-Tensid, anionisches Tensid, kationisches Tensid, amphoteres Tensid
Die Anwendung von Tensiden in der chemischen Industrie ist überaus vielfältig und beschränkt sich nicht nur auf die Nutzung in der Wasch- und Reinigungsindustrie. So finden Tenside genauso im Betonbau, im Erdöl-Fracking, in der Papierherstellung oder als Emulgator in der Lebensmittelindustrie Anwendung.
Vor allem aber in der Wasch- und Reinigungsindustrie wird das amphiphile Strukturmerkmal genutzt. Tenside erniedrigen die Grenzflächenspannung zwischen der wässrigen Reinigungslösung, dem Spülgut, dem abzureinigenden Schmutz und der umgebenden Luft. Dadurch können sie als Benetzungsmittel für hydophile oder lipophile Oberflächen wirken, aber auch als Schaumdämpfer oder -verstärker agieren. Sie sind Reinigungsverstärker und Schmutzträger, indem sie Schmutzpartikel in der Spülflotte halten und verhindern, dass diese sich wieder auf dem Spülgut ablagern.
Die Eigenschaften der einzelnen Tensidklassen
Diese Stoffklasse macht bei Dr. Weigert den größten Anteil der Tenside in Rezepturen aus. Durch die Auswahl der Kohlenstoffkettenlänge, ihres Verzweigungsgrades und ihrer Variabilität hinsichtlich der hydrophilen Kopfkomponente durch Ethylen- oder Propylenoxideinheiten werden Stoffeigenschaften bestimmt, die auf die Produkteigenschaften maßgeblich Auswirkung haben.
Im Falle der Medizinprodukteaufbereitung dienen nichtionische Tenside, neben der Benetzung der Oberflächen des hydrophilen oder hydrophoben Spülgutes und damit der Vorbereitung der Wirkung weiterer Reinigungskomponenten, vor allem der Schaumdämpfung.
Während diese Tensidklasse mit positiver Ladung in anderen industriellen Prozessen eine große Bedeutung hat, ist die Verwendung in Rezepturen bei Dr. Weigert sehr reduziert. Kationische Tenside können auf Oberflächen aufziehen und entsprechend ihres Eigenschaftsprofils wirken. Je nach Molekülstruktur hinsichtlich Kettenlänge und Kopfgruppe differieren die Wirksamkeiten der verschiedenen kationischen Tenside. Die Verwendung in der Lebensmittelhygiene ist aufgrund gesellschaftlicher Nichtakzeptanz rückläufig. Wegen ihrer Biozidie unterliegen gerade kationische Tenside einer starken Regulierung, was dazu geführt hat, dass die von der Rohstoffindustrie angebotene Vielfalt in den letzten Jahren erheblich zusammengeschrumpft ist.
Das bekannteste anionische Tensid ist die seit Jahrtausenden verwendete Seife. Dabei handelt es sich um Natrium- oder Kaliumsalze von Fettsäuren aus hydrolysierten nativen Fetten. Seifen spielen in der anspruchsvollen Reinigungstechnologie heute keine Rolle mehr. Heute verwendet man i.d.R. Anionentenside mit Sulfat- oder Sulfonat-Kopfgruppen, sogenannte Alkylsulfate, Alkylethersulfate oder Dodecylbenzolsulfonate. Diese haben den Vorteil, dass sie hartwasserbeständig sind und auch bei niedrigen pH-Werten eingesetzt werden können.
Anionentenside haben ein sehr hohes Schaumvermögen. Das ist für manuelle Reinigungen wie mit einem Handgeschirrspülmittel erwünscht und auch unproblematisch in der Anwendung. Eine weitere Anwendung mit gewünschter hoher Schaumfracht ist die Einschäumung von vertikalen Flächen in der Lebensmittelhygiene. Bei maschinellen Anwendungen ist eine hohe Schaumbelastung unerwünscht, da sie die Rotation der Sprüharme behindert und zu Prozessabbrüchen aufgrund abgefallenen Pumpendrucks führt. Anionentenside haben deshalb in Rezepturen für die maschinelle Aufbereitung nur eine untergeordnete Bedeutung.
Charakteristisch für amphotere Tenside ist die Gleichzeitigkeit einer negativen und einer positiven Ladung im selben Molekül. Damit ist diese Tensidklasse geeignet sowohl in hochalkalischen, als auch in sauren Formulierungen eingesetzt zu werden, ohne dass tensidische Eigenschaften verloren gehen. Bei Dr. Weigert werden kurzkettige Amphotenside aufgrund ihrer Schaumarmut und ihrer hohen Beständigkeit in alkalischen Lösungen als gute Netzmittel und Reinigungsverstärker eingesetzt.
Dr. Matthias Springer
Leitung Forschung & Entwicklung